Tai Chi Chuan

Fließendes Wasser fault nicht, Türangeln werden nicht wurmstichig.

Taiji oder Taiji Quan ist ein ganzheitlicher Weg zu sich selbst. Es ist Körpertherapie, weil es einen lehrt, die eigene Haltung und Bewegung zu verbessern und dadurch Krankheiten und Beschwerden, die durch ›Fehlhaltung‹ bedingt sind, zu lindern und zu heilen. Es ist ›Energiearbeit‹, weil seine Bewegungen den Fluss der inneren Energie Qi freilegen und aktivieren. Es ist praktizierte Spiritualität, weil es die eigene Individualität vom Ich zum Selbst durch die Erfahrung erweitert, Bestandteil des Kosmos zu sein.

Es ist ein Weg der Selbstbehauptung, die nicht auf Kosten anderer realisiert wird, sondern mit der Entwicklung eines ›Spürbewusstseins‹ einhergeht, das gleichermaßen Eigenes und Fremdes unterscheiden und anzuerkennen lernt. Es ist ein Weg zur inneren Kraft, welche die eigene Aggressivität transformiert und umwandelt in eine reale Kraft, die ohne willkürliche Muskelanspannung und Einsatz des Körpergewichts andere abwehren kann, ohne sie verletzen zu müssen. Es ist ein Weg, ein ›energetischer Mensch‹ zu werden.« (Frieder Anders, Das Innere Taijiquan, 2011)

Tai Chi und Gesundheit

Das Wasser hat Kinder – das Feuer nicht.

»Die Wangen sind von gesunder roter Farbe, die Schläfen voll pulsierenden Lebens, die Ohren karmesinrot, sie hören scharf, und die Augen sind hell und funkeln vor Energie. Die Stimme ist laut und trägt weit. Der Atem geht regelmäßig, ohne Hast und Keuchen. Zähne, Zahnfleisch und Kiefer sind gesund und stark. Die Schultern und die Brust sind kräftig und geschmeidig. Der Bauch ist stark und elastisch wie das Fell einer Trommel. Die Füße stehen so sicher, als seien sie im Boden verwurzelt, und sind doch fähig, von ›fest‹ nach ›leer‹ zu wechseln und umgekehrt. Der Schritt ist leicht. Die Muskeln sind weich wie Baumwolle, wenn die Innere Kraft nicht aktiv ist, aber sie werden hart und straff, wenn diese eingesetzt wird. Außerdem ist die Haut weich und rosig und so sensibel, dass sie jede Berührung ›hören‹ kann.« (Y. K. Chen)

In China ist Tai Chi ein anerkanntes Heilmittel, das seit Jahrhunderten in Sanatorien verschrieben wird. In vielen Tai-Chi-Büchern stehen Berichte von Menschen, die sich durch Tai Chi selbst geheilt haben. Viele Meister sind erst durch eigene Krankheit zum Tai Chi gekommen.

Aber auch im Westen empfehlen immer mehr Ärzte Tai Chi und Qigong. Wie und warum Qigong und Tai Chi bei bestimmten Krankheiten helfen, ist mittlerweile auch mit den Methoden der westlichen Medizin erforscht worden, sowohl in den USA als auch in Japan und anderen westlichen Ländern.

Zusammenfassend lässt sich folgendes festhalten:

  1. Tai Chi bietet ein traditionelles Übungssystem, dessen positive  Effekte auf die Gesundheit in wissenschaftlichen Untersuchungen belegt sind.
  2. Die positiven Effekte helfen bei den unterschiedlichsten psychischen und körperlichen Erkrankungen.
  3. Nachhaltige Verbesserungen zeigen sich schon nach kurzer Zeit der Übungspraxis.
  4. Obwohl es sanfte Bewegungen sind, ist Tai Chi in vielen Bereichen, wie z.B. bei der Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems, effektiver als Fitnesstrainings und Stretching-Kurse.
  5. Tai Chi ist ein effektives Training für fast jede Lebenslage und Lebensphase. Es dient gleichermaßen der Entwicklung ›von krank nach gesund‹ wie ›von gesund nach fit‹.
  6. Tai Chi ist in allen Altersgruppen wirkungsvoll.

Folgende positive Wirkungen von Taiji auf die Gesundheit sind medizinisch nachgewiesen

Erkundigen Sie sich bei Ihrer Krankenkasse nach der Bezuschussung eines Tai-Chi-Präventionskurses.

Über die bislang veröffentlichten Studien und andere Publikationen können Sie sich hier informieren
Information der Schweizerischen Gesellschaft für Qigong und  Taijiquan:  https://www.sgqt.ch/wissenschaftliche_Studien/language/de.html

Gesundheitliche Auswirkungen von Tai-Chi-Training, dargestellt anhand ausgewählter physiologischer Parameter (Diplomarbeit Universität Wien): https://utheses.univie.ac.at/detail/2227#

Lee, I-Min, Starting to Excercise, Harvard Health Publishing:
https://www.health.harvard.edu/promotions/harvard-health-publications/starting-to-exercise

Yang-Stil

Wer nur Qi hat, spürt selbst, dass er Kraft hat; aber der Gegner spürt bei ihm, dass er keine Kraft hat« (Yang Chengfu)

Der Yang-Stil hat seinen Namen von der Familie Yang, die diesen Stil entwickelte und pflegte. Begründet wurde er in der ersten Hälfte des 19. Jh. Man unterscheidet heute fünf Hauptstile in Tai Chi, die alle im 19./Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden, der Yang-Stil ist überall in der Welt verbreitet Ab 1911 begann die Trennung in ›öffentliches‹ und ›inneres‹ Tai Chi , bei deren Unterscheidung die ›innere Kraft‹ das Kriterium ist: Inneres Tai Chi kann sie entwickeln und setzt damit die Tradition der Yang-Familientradition fort, öffentliches oder ›äußeres‹ Tai Chi bleibt auf die äußeren Bewegungen beschränkt und entwickelt die innere Kraft nicht. Äußerlich betrachtet können beide Richtungen nur schwer unterscheiden werden, es braucht einige Zeit der eigenen Übung dafür. An der Taiji Akademie wird das ›innere‹ Tai Chi der Yang-Familientradition gelehrt.

Innere Kraft entwickeln

Das Leben meistert man lächelnd, oder überhaupt nicht.

»Innere Kraft ist der Prüfstein für Inneres Tai Chi. Meister Chen Weiming (1881–1958), ein Schriftsteller, im Tai Chi Schüler und Mitarbeiter (auch Co-Autor) von Yang Chengfu (1883–1936) beschreibt sie in einem Text von 1928, der auch für heute gültig ist, so:

»Viele üben heute Taiji, aber es nicht das wahre Taiji. […] Mit wahrem Taiji ist dein Arm wie Eisen, umwickelt mit Baumwolle. Er ist sehr weich und fühlt sich doch schwer an für jemanden, der ihn zu heben versucht. […] Wenn du den Gegner berührst, sind deine Hände weich und leicht, aber er kann sie nicht loswerden. Dein Angriff ist wie eine Kugel, die glatt etwas durchschlägt (gān cuì) – ohne Zuhilfenahme von schwerfälliger Kraft. Wenn er zehn Fuß weggestoßen wird, fühlt er ein wenig Bewegung, aber keine Kraft. Und er empfindet keinen Schmerz. […] Wenn du (schwerfällige) Kraft einsetzt, kannst du ihn vielleicht bewegen, aber es ist nicht gān cuì. Wenn er versucht, (schwerfällige) Kraft einzusetzen, um dich zu kontrollieren oder dich wegzustoßen, ist es, als wollte er den Wind oder die Schatten fangen. Überall ist Leere […] wahres Taiji ist wirklich wunderbar.«

Was bedeutet Innere Kraft für das Alltagsleben? Das Stichwort ist hier: Gewaltlosigkeit. Kämpfen zu lernen – also den eigenen Raum zu behaupten – ohne andere zu verletzen oder zu zerstören. Die Fähigkeit zu besitzen, gleichzeitig bei sich selbst zu sein und den anderen wahrzunehmen, um in den Dialog mit ihm zu treten. Erfahren, den anderen anzunehmen, weil man ständig übt, sich selbst anzunehmen. Inneres Tai Chi lehrt, wie es geht, freundlich zu gewinnen.

»Freundlichkeit kann man den Menschen nicht mit Härte beibringen – und sei die Härte auch noch so sparsam dosiert […] Der Versuch, den Menschen Freundlichkeit durch Maßnahmen der Härte beizubringen, ist dasselbe wie der sprichwörtliche Krieg, der die Kriege abschaffen soll. Härte ermuntert Härte; sie ermuntert niemals zur Güte […] Mit Sicherheit ist es die wesentliche ethische Botschaft des Daoismus.« (Raymond M. Smullyan, ›Das Tao ist Stille‹)

Atemtyp Tai Chi

Bohre den Brunnen, ehe du Durst hast.

Das Atemtyp Tai Chi wurde von Meister Frieder Anders ›wiederentdeckt‹ und bewusst in das klassische Tai Chi integriert. Meinem früheren Lehrer Meister Chu ins Stammbuch: »Der Grund, warum ich jene, die sich an einen einzigen Standpunkt klammern, verabscheue, liegt darin, dass sie dem Rechten Weg die Weite stehlen: sie halten einzig und allein ihre eigenen Erkenntnisse hoch und verwerfen hundert andere Gesichtspunkte.« Mengzi (Menzius) ca. 370–290. Die Taiji Akademie von Frieder Anders ist die erste und einzige Schule weltweit, die den Atemtyp jedes einzelnen Schülers bewusst berücksichtigt. Atemtyp Tai Chi potenziert die Erfolge und Möglichkeiten des Tai Chi, weil es eine der wichtigsten Kraftquellen, den Atem, berücksichtigt, schult und einsetzt. Die Ergebnisse und Erfolge dieses Wissens und seiner Anwendung gehen weit über das Tai Chi hinaus und beeinflussen das gesamte Leben. Der Weg zur eigenen Kraft liegt entweder im Einatmen oder im Ausatmen. Wer seine Kraft durch Einatmen schöpft, der ist ›Einatmer‹ (lunarer Typ), wer sie beim Ausatmen gewinnt, der ist ›Ausatmer‹ (solarer Typ). Welcher Typ man ist, entscheidet sich bei der Geburt und bleibt ein Leben lang erhalten. Atemtyp Tai Chi nutzt dieses Wissen und hilft jedem Typus, seine Bewegungen zu optimieren, um zu individueller Perfektion zu gelangen.

Für Umsteiger

Warum es sich lohnt, den Atemtyp zu überprüfen

Follow the Master

In der chinesischen Kunst war es Tradition, dem Meister zu folgen, seine Werke zu kopieren und diesen mit den eigenen möglichst nahe zu kommen. Erst wenn die künstlerische Technik beherrscht wurde, konnte der Künstler daran denken, selbst kreativ zu werden und die vorgegebenen Muster zu variieren. In der Peking-Oper beispielsweise ist alles, jeder Schritt, jeder Tonfall, die Mimik vorgegeben und die Qualität der Aufführung wird an der akkuraten Kopie der traditionellen Vorgaben gemessen. Wenn ein Darsteller jedoch im richtigen Moment mit vielleicht nur einem einzigen Schritt aus der alten Choreografie ausschert, wird er für seinen Mut und seine Kreativität gefeiert. Das gilt allerdings nur, wenn er sich bereits als Meister der Tradition gezeigt hat.

Die Peking-Oper ist eine Parabel für die traditionelle Bewegungskunst Tai Chi: Der Schüler folgt dem Meister durch Imitation seiner Bewegungen und Körperhaltung. Gut und richtig ist sein eigenes Tai Chi dann, wenn es im Einklang mit dem Lehrer und dessen Tradition steht. Aber unzählige Varianten des Tai Chi sind durch Ausscheren entstanden, weil sich ein Schüler entweder bewusst gegen seinen Lehrer in eine andere Richtung weiterentwickelt hat oder aber die Vorgaben seines Lehrers nicht umsetzen konnte und so unabsichtlich vom Vorbild abwich. Solche Schüler vollzogen den »neuen Schritt«, wie er in der Peking-Oper bejubelt wird. Die meisten taten das, weil sie den Anforderungen nicht gewachsen waren – sie scherten also aus, bevor sie das Alte gemeistert hatten, bevor sie die eigene Innere Kraft beherrschten. Deswegen gibt es heute überwiegend »Äußeres Tai Chi«, weil viele Meister und Lehrer die Innere Kraft für sich noch nicht gefunden haben.

Meister K.H. Chu beispielsweise, mein Lehrer für 26 Jahre, lernte bei Großmeister Yang Shouzhong. In Jahrzehnten des Trainings gelang es K.H. Chu nicht, in der vorgeneigten Haltung, die ihm sein Lehrer vermittelte, die wahre Innere Kraft zu entfalten. Der Grund, den beide nicht wussten: Yang Shouzhong war ein Ausatmer, K.H. Chu jedoch ein Einatmer. Erst nach dem Tod des Meisters wagte er es, von dessen Vorbild abzuweichen. Seiner Körperintuition folgend, richtete er seine Haltung immer mehr auf und entwickelte wahre Meisterschaft. Den Weg dahin wies ihm sein Atem. Der Antrieb waren das Unbehagen am Gelernten und der Wunsch, die »pure internal energy« endlich zu finden. (Ich hatte Glück, weil ich auch ein Einatmer bin und so durch Nachahmung von ihm lernen konnte.)

Allerdings ist die Abweichung von der Tradition für ihn ein Tabu-Thema: Befragt, warum sein Lehrer schräg gestanden habe, er, Meister Chu, jedoch aufrecht stehe, antwortete er: Meister Yang habe sich »verstellt«. Auch eine Antwort. Nun, immerhin wahrt man so das Gesicht und hält die Schüler beisammen. Die Motivation mag ehrenwert sein, aber ich bin der Ansicht: Sie haben Besseres verdient.

Warum Atemtyp Tai Chi?

Die äußere Bewegung des Körpers ist eng mit der inneren Bewegung des Atems verbunden. Menschen, die ihre Kraft aus dem Einatmen schöpfen, können ihre Fähigkeiten im Tai Chi am besten in aufrechter Haltung entwickeln. Ausatmer/innen hingegen werden nur in leicht geneigter Haltung zur Inneren Kraft finden. Ein Unterschied, der den großen Meistern der Tai-Chi-Tradition weder bekannt noch bewusst war und den erst die Lehre der Atemtypen vor rund 70 Jahren in Deutschland ans Licht gebracht hat. Die Tradition, dem Meister zu folgen, war in China eben stärker als der Wunsch, die durchaus wahrgenommenen Unterschiede zu systematisieren.

Die Crux eines Tai Chi, das sich heute allein auf die Tradition beruft (›authentisches Tai Chi Chuan‹) und diese verabsolutiert, liegt darin, dass vielen aufrichtig Bemühten der Durchbruch nicht gelingt, weil sie einen Lehrer vom anderen Atemtyp imitieren. Die Forschungs- und Lehrpraxis der Taiji Akademie zeigt seit vielen Jahren: Die Innere Kraft kann tatsächlich nur entwickelt und eingesetzt werden, wenn der oder die Praktizierende sich dem Atemtyp entsprechend bewegt und atmet.

Weiterhin könnte man fragen, ob der chinesische Weg, dem Meister bzw. der Tradition bedingungslos zu folgen, in unsere Kultur passt: In unserem westlichen Denk- und Wertesystem steht nicht nicht die Verehrung der Ahnen an erster Stelle, sondern die Individuation (Oscar Wilde: »Ziel des Lebens ist Selbstentwicklung. Das eigene Wesen völlig zur Entfaltung zu bringen, das ist unsere Bestimmung«); oder mit Nietzsches Worten: »Der Schüler vergilt es seinem Lehrer schlecht, wenn er auf ewig dessen Schüler bleibt.« Aus Sicht der Lernenden bedeutet das, das subjektive Empfinden des ›eigenen Wesens‹, höher zu bewerten als den von außen vorgegebenen Weg zur Inneren Kraft. Nur über die Frage »Was ist stimmig für mich?« gelangt man im Tai Chi wirklich zu sich selbst.

Atemtyp Tai Chi für Fortgeschrittene und Umstiegswillige

Für Menschen, die Tai Chi schlicht als Entspannungsmethode praktizieren wollen, sind die Unterschiede der Atemtypen vernachlässigbar. Wer den Weg des Tai Chijedoch ernsthaft beschreiten möchte, um sich seine Innere Kraft zu erschließen, ist auf eine Ausbildung gemäß seines Atemtyps angewiesen. In der Taiji Akademie wird deshalb zu Beginn des ersten Kurses der Atemtyp jedes Schülers und jeder Schülerin individuell bestimmt. Alle Kurse der Akademie sind auf die motorischen Feinheiten beider Atemtypen abgestimmt.

Wer umsteigen will und zuvor einen anderen Stil praktiziert hat, sollte die Form von Grund auf neu lernen. Gleiches gilt für Übende der Yang-Tradition, die bisher nicht gemäß ihrem Atemtyp unterrichtet wurden. Wer bereits den Yang-Stil übt, wie er in der ITCCA gelehrt wird (der ich ja 26 Jahre in Deutschland vorgestanden habe), findet bei uns Kurse, die speziell auf die Bedürfnisse und Anliegen der Teilnehmenden eingehen.

Lohnt ein Umstieg?

Mit Hilfe der folgenden Aspekte können Sie einschätzen, ob ein Umstieg für Sie sinnvoll ist:
Wenn mehrere dieser Punkte auf Sie zutreffen, lohnt es sich, über einen Umstieg nachzudenken. Rufen Sie uns an. In einer einmaligen Privatstunde können Sie gemeinsam mit Meister Frieder Anders Ihren Atemtyp entdecken. Es kann sein, dass Sie bisher nicht gemäß Ihrem Atemtyp unterrichtet wurden. Dann wird Ihnen Ihr Atem den Weg zur Inneren Kraft weisen.
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